Die Parapsychologie als eine eigenständige Wissenschaft:
Eine Begriffsklärung, Einführung und Darstellung der bisherigen
Forschung Ronald Weigl, Universität Klagenfurt
Zusammenfassung
Es wird ein Überblick über die historische Entwicklung der Parapsychologie als eigenständiger Wissenschaft vorgelegt. Der Gegenstandsbereich und die Methoden der damaligen und heutigen Forschung werden erklärt und zu jedem Gebiet werden die wichtigsten Experimente und deren Ergebnisse, welche mit Hilfe der Metaanalyse von Radin 1997 in seinem Buch „The Conscious Universe“ 'untersucht worden sind, kurz erläutert. So gut wie alle bisher durchgeführten Experimente zeigen signifikante Abweichungen von den erwarteten Werten, so dass weitere Untersuchungen auch von Seiten der klassischen Wissenschaften notwendig sind. Abschließend wird kurz die derzeitig in der Parapsychologie vorherrschende Theorie vorgestellt.
Schlagwörter:
Außersinnliche Wahrnehmung – Telepathie – Hellsehen – Präkognition – Psychokinese – pragmatische Information
Begriffsklärung:
Die Worte „Parapsychologie“, „Paranormal“ und „Psi“ werden heutzutage leider allzu gerne für jeden Sachverhalt genutzt, den Menschen außerhalb eines ihrer Meinung nach „normalen“ wissenschaftlichen Kontextes sehen, z.B. UFO’s, Kirlianfotografie, Astrologie, Wahrsagerei, angebliche Jenseitskontakte, usw.. Tatsächlich handelt es sich bei dem Wort „Parapsychologie“ um ein Kunstwort, welches 1889 von dem Philosophen und Psychologen Max Dessoir erfunden wurde, indem er vor die Psychologie die griechische Vorsilbe „para“ (was im Deutschen soviel bedeutet wie „neben“ oder „jenseits“) setzte. Er wollte damit einen wert- und emotionsfreien sowie wissenschaftlich neutralen Begriff für „paranormale“ Erfahrungen und Phänomene schaffen. Eine ähnliche Intention hatten die Psychologen Thouless und Wiesner, als sie 1946 vorschlugen, diese Phänomene unter dem 23. Buchstaben des griechischen Alphabets, dem „Psi“, zu subsumieren. Doch wie oben beschrieben ist diese Wertfreiheit Geschichte, denn mit diesen Worten ist soviel Schindluder betrieben worden, dass z.B. der schwedische Parapsychologe Martin Johnson schon von „Parapornographie“ spricht. (vgl. von Lucadou, 1997) Mit was also beschäftigt sich die Parapsychologie genau? Primär geht es um die wissenschaftliche, auf empirischen Daten und oft jahrzehntelangen Beobachtungen beruhende Erforschung zweier Phänomengruppen: Außersinnliche Wahrnehmungen (im Englischen „Extrasensory perception“, kurz ESP) und Psychokinese (im Englischen auch oft „telekinesis“ bzw. „Telekinese“ im Deutschen). Von Lucadou (1997) gibt folgende Definition:
Unter Außersinnlicher Wahrnehmung – abgekürzt ASW – wird das Wissen um oder die Reaktion auf ein äußeres Ereignis verstanden, das oder die nicht über die bekannten Sinneswege vermittelt wird. ASW wird in drei Formen unterteilt: „Telepathie“ – die „direkte“ psychische Informationsübertragung zwischen Personen –, „Hellsehen“ – die „direkte“ Wahrnehmung eines objektiven Vorgangs oder Sachverhalts, der niemandem bekannt ist – und schließlich „Präkognition“ – das Vorauswissen zukünftiger Ereignisse, ohne ausreichende rationale Gründe und ohne dass diese durch die Voraussage herbeigeführt werden. „Psychokinese“ – abgekürzt PK – wird definiert als: der Einfluß der Psyche eines Menschen auf äußere Objekte oder Prozesse, ohne Vermittlung bisher bekannter physikalischer Energien und Kräfte (S. 12).
Geschichtlicher Überblick
Die Menschen beschäftigen sich zwar schon seit Jahrtausenden mit paranormalen Phänomenen, meistens in Verbindung mit Schamanen, Geistheilern, Wahrsagern, Gespenstern, Dämonen, usw., doch die historische Entwicklung einer parapsychologischen Forschung im engeren Rahmen lässt sich auf vier Phasen eingrenzen, beginnend mit dem Mesmerismus vom späten 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, welcher auf den deutschen Arzt Franz Anton Mesmer zurückgeht, der ein Modell eines unsichtbaren Fluidums entwarf, welches von Mensch zu Mensch und zu Tier wechseln könne. Danach kam der Spiritismus Ende des 19. Jhdts., in dem sich sogenannte „Séancen“, also Gruppengeisterbeschwörungen - geleitet durch ein Medium, das ist eine Person, die zwischen der sichtbaren und der unsichtbaren Welt vermitteln sollte - höchster Beliebtheit bei einer breiten Masse der damaligen Bevölkerung erfreute. Gefolgt wurde diese Phase von der Gründung der bis heute bestehenden „Society for Psychical Research“ in London 1882, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, vorurteilsfrei und emotionslos paranormale Phänomene kritisch zu untersuchen.
Der letzte Abschnitt der Geschichte der parapsychologischen Forschung war der Beginn einer wissenschaftlichen Untersuchung von Psi-Phänomenen an einigen Universitäten um 1930 unter dem Eindruck der Experimente von J.B. und Louisa Rhine, die es sich
zur Aufgabe gemacht hatten den Spuk ins Labor zu holen. Wichtig für den europäischen
Raum waren die Gründung des „Institut für Grenzgebiete der Psychologie und
Psychohygiene (IGPP)“ 1950 in Freiburg i.Br. unter Dr. Hans Bender
und der 1985 gegründete Arthur-Koestler-Lehrstuhl für Parapsychologie an der
Universität Edinburgh unter der noch immer bestehenden Leitung von
Prof. R.L. Morris. (vgl. von Lucadou, 1997)
Zur Methode
Die methodische Vorgangsweise in der parapsychologischen Forschung beruht
auf drei Säulen: 1. die Sammlung, Dokumentation und Klassifikation paranormaler
Spontanberichte; 2. die Feldforschung, also die möglichst objektive Datensammlung
von dafür geeigneten Forschern; und 3. die Laboruntersuchungen, die den
wichtigsten Teil der Daten liefern, da Psi-Phänomene unter kontrollierten
Bedingungen beobachtet und aufgezeichnet werden können. Aus den bisher
durchgeführten Experimenten kann man schließen, dass es sich bei den sog.
„Psi-Effekten“ um zwar schwache, teilweise sehr elusive, aber durchaus
reproduzierbare und dadurch statistisch gesehen „robuste“ Effekte handelt,
wie in den folgenden Kapiteln deutlich gemacht werden soll. Wichtigstes Mittel
dazu ist die Metaanalyse, also die Analyse vieler Experimente, die sich mit
der gleichen Fragestellung beschäftigt haben, über einen längeren Zeitraum
hinweg. (vgl. von Lucadou & Bauer, 2001)
Die Phänomene
Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen werden hier nur einige
ausgewählte Experimente beschrieben, um das jeweilige Phänomen zu
verdeutlichen und die Chance auf Interpretationen im Bezug auf die
Bewusstseinsforschung zu bieten. Dies soll aber nicht heißen, dass die
vielen, über Jahrzehnte gesammelten, archivierten und hervorragend
dokumentierten Spontanberichte und Einzelfälle keine wichtige Rolle
in der Erforschung und Theoriebildung der parapsychologischen Fragestellung
spielen würden. Beginnend mit der Telepathie werden nun für alle
Bereiche der Psi-Phänomene die wichtigsten in dem Buch von
Dean I. Radin „The Conscious Universe“ (1997) aufbereiteten Experimente
kurz erklärt sowie Metaanalysen über einige der bis 1997 zusammengefassten
Ergebnisse präsentiert.
Telepathie
Telepathieexperimente begannen mit den sog. Kartenexperimenten,
bei denen eine Versuchsperson als Sender einer anderen Versuchsperson
als Empfänger das von ihr betrachtete Kartensymbol (zumeist Quadrat,
Kreis, Wellenlinien, Stern oder Dreieck) mental übermitteln sollte. Diese
Experimente wurden dahingehend verbessert, dass man einerseits
auszuschließen versuchte, dass der Empfänger die Symbole nicht aufgrund
von telepathischer Übertragung sondern wegen seiner Hellsichtigkeit „direkt“,
also ohne einen zwischengeschalteten Sender, sehen konnte. Diese
Möglichkeit gänzlich auszuschließen ist leider bisher nicht gelungen, da es
bis jetzt kein experimentelles setting gab bzw. gibt, dass „reine“
Telepathie testen kann. Diese Unterscheidung ist jedoch nur im experimentellen
Design von Wichtigkeit, da sowohl Telepathie als auch Hellsichtigkeit klassische
Psi-Phänomene sind, und auch der Nachweis einer Mischform aussagekräftig
genug ist.
Andererseits wollte man das setting insgesamt weniger Fehleranfällig machen,
um Kritikern gerecht zu werden. Aufgrund des häufigen Auftretens von spontanen
Psi-Phänomenen im Schlaf hatte man die Idee, den Sender derart zu instruieren,
dass er dem Empfänger unter kontrollierten Bedingungen
während einer REM-Phase per Zufall ausgesuchte Bilder übermitteln sollte.
Sender und Empfänger hielten sich während des Versuchs in getrennten Räumen
auf, die mehrere Meter bis zu einigen Kilometern entfernt sein konnten. In der
Metaanalyse der in dem Zeitraum von 1966 bis 1973 durchgeführten
Traum-Telepathie-Experimente zeigte sich, dass bei insgesamt 450 Sitzungen
eine Trefferquote von 63% im Vergleich zu der Zufallserwartung von 50% erreicht
wurde, die Ergebnisse also statistisch hochsignifikant sind (50% war die
Zufallserwartung aufgrund der methodischen Vorgangsweise).
Eine Weiterentwicklung der Traum-Telepathie-Experimente stellte die sog.
„Ganzfeld“ - Methode dar. Hierbei werden dem Empfänger, welcher einer
künstlichen, leichten sensorischen Deprivation ausgesetzt ist, ebenfalls von
einem räumlich getrennten Sender Bilder übermittelt. Für den Sender
wurde das zu übermittelnde Bild per Zufallsgenerator oder per Computer
ausgesucht, der Empfänger musste nach der „Sende-Empfangs-Phase“ aus
vier Bildern jenes aussuchen, welches ihm seiner Meinung nach von dem Sender
übermittelt worden war, somit lag die Zufallserwartung bei 25%.
Durch immer weitergehende Automation des Experiments wurden so gut
wie alle Fehlerquellen ausgeschlossen, was die Ganzfeld-Methode zu einem
sehr aussagekräftigen experimentellen Design macht, nicht zuletzt da diese
Methode sehr oft repliziert worden ist. Die Trefferquote lag bei
insgesamt 762 Sitzungen bei 37% (im Vergleich zu der oben erwähnten
Zufallserwartung von 25%), also konnte wiederum ein hochsignifikantes Ergebnis
erzielt werden.
Hellsehen
Die Möglichkeit des Hellsehens wurde über Jahrzehnte hinweg immer wieder
getestet, nicht zuletzt von den beiden Supermächten USA und der (damaligen)
UdSSR, da die Möglichkeiten der Spionage mit Hilfe des Hellsehens gerade in
Zeiten des Kalten Krieges sehr aussichtsreich waren. So beteiligten
sich nicht zuletzt das „Stanford Research Institute (SRI)“, später die
„Science Applications International Corporation (SAIC)“ und das
„Princeton Engineering Anomalies Research (PEAR) Laboratory“ der Universität
Princeton an einigen Versuchen, in denen verschiedenste experimentelle
Designs getestet wurden. Ziel war es bei allen Experimenten, dass die
Versuchsperson einen Ort, eine Person oder einen Gegenstand mit bloßer
Geisteskraft beschreiben sollte, ohne diesen anders wahrnehmen bzw. kennen
zu können. Diese Beschreibungen wurden dann von unbeteiligten dritten
im Vergleich mit vier möglichen anderen Zielobjekten bewertet, um die
Exaktheit messen zu können, mit denen das tatsächliche Ziel beschrieben
worden ist. Gerne wurden den Probanden z.B. Längen- und Breitengrade
mitgeteilt, um dem Versuchsleiter dann zu beschreiben, was er oder sie
dort sehen konnte. Alles in allem wurde bei diesen Experimenten in normalen
Bewusstseinszuständen eine Trefferquote von 54% im Vergleich zu einer
Zufallserwartung von 50% erzielt. Dass diese Quote deutlich geringer ist als
z.B. die Ergebnisse der Ganzfeldmethode oder der ASW-Studien unter Hypnose
liegt anscheinend an der Tatsache, dass wir Menschen Psi-Impressionen in
normalen Geisteszuständen sozusagen „herausfiltern“, da sie von anderen
sensorischen Reizen überlagert werden.
Präkognition
Am beeindruckendsten sind wohl die Experimente zur unbewussten
Präkognition, um die Möglichkeit eines zeitlichen Vorauswissens zu beweisen.
Hierbei wird ein setting genutzt, welches die von Pavlov in den 20’er Jahren
beschriebene „Orientierungsreaktion“ nutzt, um Psi nachzuweisen.
Bei dieser Reaktion des Körpers auf einen herausstechenden und unerwarteten
kognitiven Reiz ändern sich unter anderem der galvanische Hautwiderstand,
der Pulsschlag und die Blutmenge in den äußeren Extremitäten.
Im experimentellen setting werden diese drei Faktoren gemessen, während
dem Probanden eine Abfolge von emotionalen sowie neutral besetzten Bildern
vorgespielt wird. Emotionale Bilder sind z.B. Bilder mit erotischem oder
gewaltvollem Inhalt, neutrale z.B. Landschaften und Gemälde. Die Tatsache,
dass Orientierungsreaktionen kurz nach der Präsentation eines emotionalen Bildes
stattfinden, ist nicht weiter verblüffend. Die Theorie, dass es zu einer
Orientierungsreaktion ganz kurz vor der eigentlichen Präsentation des Bildes
mit emotionalem Inhalt kommen würde (da bekannt war, dass diese eher eine
solche Reaktion auslösen als neutrale Bilder), galt es zu beweisen. Dieser
Beweis gelang im Rahmen von Versuchen an der Universität von Nevada.
Alle drei bei den Probanden gemessenen Werte zeigten eindeutige Veränderungen
im Vergleich zu den Werten bei einem neutralen Bild. Diese Ergebnisse konnten
1996 von Prof. Dick Bierman an der Universität Amsterdam erfolgreich
reproduziert werden.
Psychokinese
Die für die Fragestellungen der Bewusstseinsforschung wohl interessantesten
Psi-Phänomene sind die der Psychokinese, da diese nichts anderes darstellen
als ein außerkörperliches „Leib-Seele-Problem“, bei dem der Grundsatz
„mind over matter“ gilt. In der Physik sind diese Phänomene auch oft unter dem
„Pauli-Prinzip“ bekannt, benannt nach dem Schweizer Physiker und Freund
von C.G. Jung, Wolfgang Pauli.Er war berüchtigt dafür, dass seine bloße
Anwesenheit Maschinen zur Fehlfunktion bringen konnte. Begonnen haben
die Experimente zur Psychokinese mit sehr einfachen Aufbauten, bei denen
die Probanden einen oder mehrere Würfel so beeinflussen sollten, dass nach
einem Wurf eine bestimmte Augenzahl zu sehen war. Die Metaanalyse all dieser
Experimente zeigte, dass nach einer statistischen Umformung, bei welcher die
Zufallserwartung 50 % betragen würde, die Trefferquote bei 51.2 % liegt.
Dies mag nicht viel erscheinen, ist aber aufgrund der Menge an Experimenten
(insgesamt haben 2 569 Versuchspersonen 2.6 Millionen Würfelversuche im
Zeitraum zwischen 1935 bis 1987 beeinflusst) hochsignifikant, da die
Wahrscheinlichkeit, dass es sich dabei um eine zufällige Abweichung handelt,
bei 1:1 000 000 000 liegt.
Eine Verfeinerung des experimentellen settings zur Psychokinese-Messung ist
die Einführung von Zufallsgeneratoren (im Englischen „random-number-generators
(RNGs)“), um eine gewollte Abweichung von einem Zufallsprozess messbar zu
machen. Diese RNG’s produzieren per Zufall eine Abfolge von 0 und 1
(oder auch +1 und –1), so dass am Ende eines normalen Testlaufs ohne
bewusste Beeinflussung des Zufallsgenerators in etwa gleich viele 0 und 1
produziert worden sein sollten, es also ein 50/50 Verhältnis von „Kopf“ und „Zahl“
geben sollte. Aufgabe der Versuchspersonen war es also, den Zufallsgenerator so zu
beeinflussen, dass er mehr oder weniger 0 oder 1 produzieren sollte, als man
„normalerweise“ erwarten würde. Die bekannteste dieser RNG’s ist die sog.
„Schmidt-Maschine“, benannt nach ihrem Erfinder, dem Physiker
Helmut Schmidt. Dieser Zufallsgenerator ist weitgehend automatisiert und in
seiner derzeitigen Form sehr gut gesichert gegen Fremdeinwirkung, die den
Experimentatoren so oft vorgeworfen wird. Bei all diesen Experimenten zusammen,
durchgeführt in einem Zeitraum von 1959 bis 1987, konnte ähnlich den
Würfel-Experimenten wiederum ein geringer, aber eindeutiger Effekt im
Sinne einer Abweichung von der Zufallsvorhersage gemessen werden.
Ein anderes interessantes Experiment beruhte auf der Theorie, dass ein
Zufallsgenerator beeinflusst werden kann, wenn sich viele Menschen gleichzeitig
auf ein und dieselbe Sache konzentrieren, ohne dass dies jener Zufallsgenerator *
sein muss. Damit wollte man dem sog. „Feldbewusstsein“
(oder auch „kollektivem Bewusstsein“), in Anlehnung an die transpersonale,
spirituelle und Jung’sche Psychologie, auf die Spur kommen. Und tatsächlich
wurden z.B. bei der Übertragung zweier Oskarverleihungen und des „Superbowl“
Abweichungen von der Zufallsfolge beobachtet, wenn die
Spannung am Bildschirm stieg, also z.B. vor der Verkündigung des Preisträgers oder
während eines gewagten Spielzugs. Andererseits blieben Testläufe des RNG’s vor
und nach den besagten Ausstrahlungen im Zufallsbereich. Interessant ist auch die
Tatsache, dass Menschen anscheinend spüren, wenn sie von jemandem
(im verfeinerten Versuchsaufbau über ein Videosystem) angestarrt
werden, ohne dass sie dies kognitiv wahrnehmen könnten, wie in über vierhundert
derartigen Experimenten bewiesen werden konnte. Die Metaanalyse ergab eine
13 % über der Zufallserwartung von 50% (weil es eine einfache
JA/NEIN Entscheidung ist) liegende Trefferquote, mit einer Zufallswahrscheinlichkeit
von 1:3 800 000. (vgl. Radin, 1997)
Psychokinese in nicht-menschlichen Systemen
All die bisher genannten Experimente waren auf einer Mensch-Maschine oder
Mensch-Mensch Ebene aufgebaut, doch stellte man sich bald die Frage, wie sehr
Tiere in der Lage sein würden, Psychokinese zu erzeugen. So hatte z.B.
Hans Schmidt (1970) die Idee, mit einer Katze zu experimentieren, die während
der Versuche in einem Verschlag gehalten wurde, der mit einer 200-Watt Lampe
ausgestattet war, deren Ein- bzw. Ausschaltphasen wiederum von einem
Zufallsgenerator gesteuert waren. Da die Innentemperatur des Verschlags ohne
eingeschaltete Lampe ca. 0 Grad Celcius betrug, war die Theorie, dass die Katze
den Zufallsgenerator so beeinflussen würde, dass er mehr Einschaltphasen
produzieren würde. Dies konnte für die ersten Versuchsläufe sehr gut bestätigt
werden. Schmidt führte weitere Experimente mit Küchenschaben durch,
die durch einen Zufallsgenerator leichte Stromstöße erfuhren. Zwar zeigte die
produzierte Zahlenfolge Abweichungen von der Zufallserwartung, doch waren diese
Abweichungen interessanterweise zum Nachteil der Kakerlaken, da sie überzufällig
viele Stromstöße erhielten. (vgl. Schmidt, 1970) Ein anderes interessantes Experiment
wurde von René Peoc’h (1995) gestartet, in welchem er 80 Gruppen zu je 15 Küken in
einem Käfig in einen dunklen Raum setzte, wo sich auch ein Roboter mit einer Lichtquelle
befand, dessen Bewegungen im Raum wiederum durch einen Zufallsgenerator gesteuert
wurden. Basierend auf der Annahme, dass die Küken Licht bevorzugen würden, glaubte
Peoc’h, dass der Roboter sich bei Anwesenheit der Küken länger in dem Teil des Raumes
aufhalten würde, in dem diese gehalten wurden. Und tatsächlich zeigte der Roboter eine
überzufällige „Bevorzugung“ des mit den Küken besetzten Raumteiles, wenn diese im
Raum waren (in 57 von 80 Durchgängen, also in 71% der Fälle), andernfalls verhielt
er sich dem Zufall entsprechend. (vgl. Peoc’h, 1995)
Aufbauend auf diesen Erkenntnissen und den Versuchen von Marcel und Monique Odier,
die bei Experimenten mit einem Hibiskus herausfanden, dass dieser den von einem
Zufallsgenerator gesteuerten Leuchtzyklus einer ihn beleuchtenden Lampe steuern
konnte, kam bei dem österreichischen Physiker Prof. Dr. Johannes Hagel (2001) vom
„Institut für Psycho-Physik (IPP)“ in Genf-Köln bald die Frage auf, ob Psi bzw.
Psychokinese nicht auch in unbelebten Systemen möglich sei. Um diese Frage zu
beantworten entwarf er einen ersten Versuchsaufbau, bei dem er eine Spielzeugeisenbahn
im Kreis fahren ließ, wobei sich der Kreis an einer Stelle in eine Innenbahn und eine
Außenbahn teilte. Die Weiche wurde wiederum durch einen Zufallsgenerator gesteuert,
der von der Eisenbahn per Lichtschranke abgefragt wurde. Fährt sie innen passiert nichts,
fährt sie auf der Außenbahn, so wird sie abrupt umgepolt, ein wenn man will „traumatisches“
Ereignis für die Eisenbahn. In den ersten Versuchen und Replikationen mit der 100 000
Kreisfahrten fahrenden Eisenbahn zeigte sich nun deutlich, dass diese die Innenbahn
„bevorzugte“, wo ihr keine „Bestrafung“ drohte. In weiteren Verfeinerungen des
Versuchaufbaus, bei der es nur noch eine Kreisbahn gab, um Zentrifugalkräfte bzw.
Beeinflussungen durch die Weiche auszuschließen, wurden ebenfalls von der
Zufallserwartung abweichende Ergebnisse erzielt, der RNG verhielt sich anders,
wenn eine Eisenbahn auf den Schienen fuhr als er dies in Kontrollläufen ohne Eisenbahn tat.
Um auch weitere Einflüsse von außen, wie z.B. den aus der Quantenphysik bekannten
„Beobachtereffekt“, bei dem ein bewusster Beobachter eines Systems dessen
Eigenschaften durch seine bloße Beobachtung ändert (vergleichbar der
„Heisenbergschen Unschärferelation“), oder mechanische Größen möglichst auszuschließen,
wurde das Experiment in mehreren Replikationen immer wieder modifiziert, so dass
teilweise auch mit sich gegenseitig beeinflussenden Oszillatoren statt mit einer
Eisenbahn gearbeitet wurde. Diese Oszillatoren konnten sich nach Abfrage eines
Zufallsgenerators einen Stromschlag erteilen, je nachdem ob er eine 0 oder 1 produzierte.
Bei allen diesen Versuchen zeigte sich wiederum ein deutlicher, nicht zufälliger Effekt.
Es scheint, als ob die getesteten Systeme destruktive Einflüsse vermeiden würden,
um sich selbst stabil zu erhalten. (vgl. Hagel, 2001, 2002)
Theorie
Was also kann man aus all diesen Experimenten schließen? Zuerst einmal lässt sich
nach dem Stand der derzeitigen parapsychologischen Forschung mit ziemlicher
Sicherheit sagen, dass die „alten“ Modelle von ASW als wirkliche Signalübertragung
und von PK als wirkliche, wie auch immer geartete energetische Übertragung von Kraft,
nicht mehr haltbar sind. Viel mehr sieht es im Moment ganz danach aus, als ob man Psi
als eine Fluktuation in Systemen sehen muss, als sog. nicht-lokale, akausale Korrelationen.
Bei dieser speziellen Art von Korrelation beeinflussen sich zwei Größen, ohne in einem
kausalen, örtlichen oder zeitlichen Zusammenhang zu stehen, die Beeinflussung findet
aller Wahrscheinlichkeit über eine andere Variable statt. Diese Auffassung hat starke
Ähnlichkeit mit dem Konzept der sinnvollen Zufälle, den „synchronistischen Ereignissen“
von C.G. Jung. Das derzeitige Modell dieser dritten Größe ist die sog.
„pragmatische Information“, ein Begriff, der von Ernst Ulrich von Weizsäcker 1974
erstmals zur Diskussion gestellt wurde. Er versuchte, Bedeutung und Sinnhaftigkeit
theoretisch fassbar und dadurch auch messbar zu machen. Abhängig ist die Höhe der
pragmatischen Information von den zwei Komponenten „Erstmaligkeit“ und
„Bestätigung“, welche in einem ausgewogenem Verhältnis zueinander stehen müssen,
um eine maximale Bedeutung zu ermöglichen. Gibt es nur sehr viel Erstmaligkeit und
wenig Bestätigung, bzw. verhält sich die Situation genau umgekehrt, so wird wenig
Bedeutung im System erzeugt. Dazu ein simples Beispiel: Für jemanden, der der
chinesischen Sprache nicht mächtig ist, hat es wenig Sinn, eine chinesische
Tageszeitung zu lesen, sie wäre zwar voller „Erstmaligkeit“,
hätte aber so gut wie keine „Bestätigung“ zu bieten, da dieser jemand die
Schriftzeichen nicht lesen und somit keine Bedeutung in der Zeitung ausmachen
könnte, obwohl die Menge an Zeichen, klassisch in bits und byts gemessen,
sehr groß wäre. Ähnlich wäre die Situation für jemanden, der z.B. nur eine
deutschsprachige Zeitung nach China auf Urlaub mitgenommen hat, und da er
nur der deutschen Sprache mächtig ist, liest er diese Zeitung immer wieder, um
sich die Langeweile zu vertreiben. Er wird immer mehr das Interesse an den
Nachrichten in dieser Zeitung verlieren, da sie ihm keine „Erstmaligkeit“ mehr bieten
könnte, aber dafür umso mehr „Bestätigung“ (vgl. von Lucadou, 1998).
Der Nachteil dieser jetzigen Auffassung über paranormale Phänomene liegt in
der möglichen Nutzbarkeit und Trainierbarkeit von Psi-Kräften. Aufgrund der
oben genannten Modelleigenschaften scheint es äußerst fragwürdig, ob man
seine parapsychologischen Fähigkeiten verbessern oder vielleicht sogar
wirtschaftlich nutzbar machen kann, da das Moment der Bedeutung nicht
beliebig (re-)produzierbar ist. Diese Tatsache scheint auch den sog. „decline effect“
zu erklären, ein Effekt, der immer wieder bei fast allen
Parapsychologieexperimenten beobachtet werden kann. Das Merkmal dieses Effektes
ist es, dass Probanden bei ihren ersten Versuchen sehr gute Trefferleistungen erzielen,
wenn es für sie also noch Bedeutung hat. Je öfter sie diese Versuche und Experimente
wiederholen, umso schlechter werden ihre Trefferleistungen, somit scheint die Fähigkeit,
als „Psi-Spion“ oder WahrsagerIn gute, dauerhafte Resultate liefern zu können, sehr
fragwürdig zu sein.
Schlussbemerkung
Betrachtet man die Geschichte der parapsychologischen Forschung, die tausenden
Fallstudien und Experimente, die vielen namhaften Wissenschaftler und Forscher,
die sich diesem Gebiet zugewandt haben, so scheint es mir absolut unabdingbar, dass
die „mainstream“ Wissenschaft sich endlich ernsthaft mit dem über Jahrhunderte
hinweg angehäuften Berg von Daten beschäftigt, den die Parapsychologie zu bieten hat.
Ignoranz bringt die Wissenschaft nicht weiter.
Ich möchte zum Abschluss dieser Arbeit Charles Darwin zitieren: „Ignorance more frequently
begets confidence than does knowledge; it is those who know little, and not those who
know much, who so positively assert that this or that problem will never be solved by science.”
(Radin, 1997, S. 213)
Literaturverzeichnis
von Lucadou & W., Bauer, E. (2001). Parapsychologie. In Wenninger G.
(Red.), Lexikon der Psychologie: in fünf Bänden. Bd. 3. (S. 213-216). Heidelberg;
Berlin: Spektrum Akad. Verl. von Lucadou, W. (1997). Psi-Phänomene.
Neue Ergebnisse der Psychokinese-Forschung. Frankfurt am Main und Leipzig:
Insel Verlag. von Lucadou, W. (1998). Kann man paranormale
Erfahrungen erklären? In: Stimmen aus dem Jenseits? Therapeutische Hilfe für *
Betroffene mit außergewöhnlichen Erfahrungen. Dokumentation einer Fachtagung
vom 23. September 1998 in Hamburg. Veranstaltet von der Arbeitsgemeinschaft
Kinder- und Jugendschutz Hamburg e.V. Radin, D. I. (1997). The Conscious Universe:
The Scientific Truth of Psychic Phenomena. New York: HarperCollins. Schmidt, H. (1970).
PK Experiments with Animals as Subjects. The Journal of Parapsychology, Volume 34,
Number 4, 255-261. Peoc’h, R. (1995). Psychokinetic Action of Young Chicks on
the Path of An Illuminated Source. Journal of Scientific Exploration, Volume 9,
Number 2, 223-230 Hagel, J. (2001, Oktober). Neue Experimentelle Ansätze
und Entwicklungen im Eisenbahnexperiment. Vortrag bei der Wissenschaftlichen
Gesellschaft zur Förderung der Parapsychologie (WGFP). Tagung in Offenburg am
26.10.2001 Hagel, J. (2002). Homepage des Instituts für Psychophysik (IPP). Berichte.
Kann Psi in nicht lebenden Systemen existieren? Offenburg, 21.10.2000 [WWW document]
Available: URL http://www.netcologne.de/~nc-tschapma/vor2000.htm [2002, May 09]